Mut zu Ecken und Kanten

„Wir können auch anders“ — hatte der Belecker Männerchor Pankratius 1860 sein diesjähriges Konzert überschrieben. Selbstbewusst waren die Sänger, um Chorleiter Martin Krömer, bereits in den Vorankündigungen aufgetreten —zeigten sich als „eisenharte Kerle“ in Siepmanns Schmiede und probten den „Beatles-Walk“ über’m Asphalt. „Wir hoffen, dass Sie heute Abend hier hinausgehen und sagen: Das hat sich gelohnt.

Männerchor mal anders - Foto: M. Sprenger

Männerchor mal anders – Foto: M. Sprenger

Dass der Abend Änderungen versprach, darauf deutete auch bereits die Bühnendekoration von Bernd Oehlenberg hin. Üppige Blumenbouquets waren durch schlicht-weiße Hortensien und kantige Metallstücke abgelöst worden —und schienen fast als Sinnbild für einen „neuen“ Männerchor. Bislang hatten die Sänger, vielfach ausgezeichnet als Meister- und Konzertchor, vor allem mit traditionellen, sakralen oder volkstümlichen, Vorträgen geglänzt. Am Samstag hatten sie unter anderem Mut zur Ecke und Kante, zeigten sich lockerer und vor allem vielschichtiger. Dass dies auch für das Konzert im Ganzen zutraf, war zum Teil auch den geladenen Gästen geschuldet. So eröffnete das junge Trom­peten-Ensemble der Warstei­ner Musikschule (P. Baronowski, J. Köhne, C. Severin, L. Heppe) familienähnlich mit March, Gavotte und Rigaudon von Johann Fischer beschwingt: „Wir versuchen immer auch eine Bühne zu bieten für junge Menschen“, erklärte Wüllner, die gelungene Wahl.

Treffliche Hintergrund Bebilderung

Bereits beim ersten Titel des BMC lugte anschließend vorsichtig ein weiterer „Stargast“ hervor. „Viva la Musica“ lobpreisten die Akteure im „Cantemus“ von Maierhofer und die gesungenen Töne schienen sich dabei synchron auf die, per Beamer im Hintergrund herabregnenden Noten, zu legen. Welche Mühe hatte sich die Chormitglieder Peter Mahnke und Markus Berghoff in der Gestaltung der unglaublich trefflichen Hintergrundbebilderung gegeben! Da rannte auf der Leinwand der Bräutigam vor hunderten Heiratswilliger davon und gab dem „Junggesellen“ (Volkslied aus Mähren) ebenso eine humorvolle Zusatznote, wie etwa das wirre Verkehrschaos in Warstein dem temporeichen „Mambo“ von Herbert Grönemeyer. Letztere Einlage des 13-köpfigen Projektchors kam beim Publikum im ersten Teil des Programms besonders gut an und wurde ebenso wie die Darbietungen der Soester Neuen Gesangs-Solisten (SoNGS) mit einem stürmischen Applaus belohnt. „Zwei von uns kommen aus Soest, einer hat früher im Kreis gewohnt und einer wurde vermutlich in Soest gezeugt“, erklärte Bariton Peter Griffith den ungewöhnlichen Namen der Gäste und kam mit seiner im Brit-Akzent dargebotenen Anmoderation der amerikanischen Titel, wie „I feel pretty“ oder „Somewhere“ aus dem Musical West Side Story, super an. Besonders Jana Stehr als Sopranistin sorgte mit ihrer kraftvollen hell-tönenden Stimme für einen „stimmigen“ Kontrapunkt im Männerchor-Konzerts. Den lieferte auch Pianistin Ioana Corina Ionescu durch ihre emotionale und doch starke Spielweise — zudem schmückten sich die Herren sichtlich gern mit der hübschen Musikerin. „Ah“ tönte es nach der Pause aus dem Zuhörerraum als die Hauptakteure erneut die Bühne betraten. Abgelegt waren die schwarzen Anzüge und durch bunte Schlipse, leger aufgekrempelte Hemden und Jeanshosen ersetzt worden. „Carpe Diem“ (Text: Zitate, Musik: Schmoll) — „Genieße den Tag“ luden sie sogleich auch treffend ein und vertieften mit Udo Jürgens: „Ich glaube … dieses Leben ist schön genug, bunt genug, Grund genug sich daran zu erfreuen…“

Überraschend andere Zugabe

Einen erneut neuen Akzent setzten anschließend „SoNGS“ mit ihrem „African­American Spiritual-Block“: „Die Kultur der Sklaven, ihre Lieder, wurden einst verboten. Da kam ihnen die geniale Idee neue Songs zu schreiben — mit Wörtern aus der Bibel. So kommt es; dass jedes Lied mehrere Bedeutungen hat, aber alle aus der Seele kom­men“, lenkte Griffith zu Titeln wie „Deep River“ (Arr. Ben Parry) oder den abschließenden Spiritual Medley hin. „Es war ein toller Abend und ein sehr beeindruckendes Konzert“, bedankte er sich anschließend und das Publikum ließ die Solisten nicht ohne Zugabe „He’s got the whole world in his hand“ von der Bühne. „Bravo“- Rufe heimste anschließend sogar der Projekt-Chor mit seiner Liedauswahl zum Thema „Funk und Fernsehen“ ein. Ob Rio Reisers „König von Deutschland“, Westernhagens „Freiheit“, „Lalelu“ – vielen noch im Ohr von Heinz Rühmann – oder Paulchen Panthers „Wer hat an der Uhr gedreht?“ (nach einem Satz von Martin Krämer) – das Publikum hatte Spaß an den bekannten (und zum Teil umgetexteten) Titeln, wiegte sich im Takt, tappte mit dem Fuß oder sang sogar ein wenig mit.

Bevor sich Wüllner mit einer – ebenfalls überraschend anderen Zugabe – dem gemeinsam mit den Zuhörern gesungenen „Prost mit harmonischem Klang“ – und Dank den Aktiven und Unterstützen (insbesondere der Kulturinitiative) verabschiedete, setzten die Männer unter dem tatsächlich „anderen“ Konzert einen perfekten Schlusspunkt. Visuell per Beamer ging’s den langen Weg, von der Bühne über den roten Teppich und durchs Blitzlichtgewitter in ein noch nicht sichtbares Ziel. Stimmlich hätte es nicht gekonnter gewählt sein können, diesen Weg ins Neue durch von Sinatra unsterblich gemachtes „My Way“ zu intonieren. Bleibt abzuwarten wohin der Männerchor sich orientiert – dass er sich weiterentwickelt und breiter aufstellt, hat er mit seinen Darbietungen beim „Wir-können-auch-anders“-Konzert bewiesen. Sicher ist: Er macht es auf „seine Weise“…

Text: Ingrid Schmallenberg

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